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Laufendes Projekt

Kunsthistoriker der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg - Apologeten der Vernichtung oder „Kunstschützer“?

Bereits in den ersten Wochen des Ersten Weltkriegs kam es an den Fronten zu großen Verlusten an Bausubstanz und Kunstdenkmälern. Deutsche Truppen waren verantwortlich fur die Zerstörung der historischen Zentren von Ypern in Belgien und von Kalisch/Kalisz im russischen Teilungsgebiet Polens sowie fur die Beschießung der Kathedrale von Reims. Russische Offensiven verwüsteten Kleinstädte und Dörfer in Ostpreußen und in Galizien.

Das Vorgehen in Belgien und Frankreich wurde von den Entente-Staaten als Werk der „deutschen Barbaren“ angeprangert. Unter wachsendem Propagandadruck folgte die Reichsregierung dem maßgeblich von Paul Clemen entwickelten Konzept eines „Kunstschutzes", der das kulturelle Ansehen Deutschlands wiederherstellen sollte: Deutsche Wissenschaftler sollten in den eroberten Gebieten erste Sicherungsmaßnahmen vornehmen, Zerstörungen dokumentieren, Kunstdenkmäler erforschen sowie Planungen zum Wiederaufbau erstellen. Vor allem aber sollten diese Tätigkeiten einer internationalen Öffentlichkeit kommuniziert werden. Österreich-Ungarn schloss sich diesem Konzept an, Kunsthistoriker der beiden Mittelmächte arbeiteten dabei eng zusammen.

Forschungslage

Während zu den Aktivitäten des „Kunstschutzes“ in Belgien und Frankreich bereits fundierte Forschungen vorliegen, fehlen sie fur die Regionen Ostmittel- und Südosteuropas fast gänzlich.

An diesem Punkt setzt das in Kooperation mit internationalen Partnern realisierte Projekt an: Es untersucht in vergleichender Perspektive, welche Forschungsinteressen die Kunsthistoriker auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen leiteten, welche Schutz- und Wiederaufbaumaßnahmen sie tatsächlich initiierten, ob und in welcher Form es zu Kooperationen mit Fachkollegen in den jeweiligen Ländern kam. Zu fragen ist dabei auch nach gegenläufigen Konzepten bzw. Interferenzen mit Wiederaufbauprojekten nach Kriegsende, beispielsweise in Polen.

Die Fragestellungen richten sich zudem auf die Langzeitwirkungen der während des Krieges entwickelten Forschungsprämissen in der Kunsthistoriographie der Zwischenkriegszeit („Ostforschung“). Dabei ist insbesondere auch die Rolle der im Zuge der Forschungskampagnen des Ersten Weltkrieges entstandenen Fotosammlungen zu untersuchen: Die in wissenschaftlichen und populären Bänden publizierten Bilder prägten den Blick der deutschen Öffentlichkeit offenbar nachhaltig.

Die Förderung des Drittmittelprojekts „Kunstschutz“ im Ersten Weltkrieg und die Kunst- und Kulturhistoriographie in Ostmitteleuropa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Akteure–Netzwerke–Konzepte durch die Deutsch-polnische Wissenschaftsstiftung 2021–2024 ermöglicht Archivrecherchen, Workshops sowie eine Tagung zum Thema. Projektpartner sind neben dem BKGE das Institut für Kunstforschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften (IS PAN) in Warschau und das Institut für Kunstgeschichte und visuelle Kultur der Estnischen Kunstakademie in Tallinn.

Kontakt: Dr. Robert Born und PD Dr. Beate Störtkuhl

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