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"Damit das nicht verloren geht..."Volkstanzgruppen und die WeizackertrachtAriane KarbeEinleitungIn den 1980er Jahren boomte in der Bundesrepublik Deutschland die Trachtenbegeisterung. Eine Entwicklung, die sich schon in den 1970er Jahren angedeutet hatte, kam nun voll zum Tragen. Dem Landestrachtenverband Niedersachsen trat nach Jahren der Stagnation 1987 die 25. Einzelmitgliedsgruppe bei, im darauffolgenden Jahr hatte sich die Mitgliederzahl bereits verdoppelt. (1) Für Schleswig-Holstein, Baden und Bayern liegen ebenfalls Berichte über den sprunghaften Anstieg der Mitgliederzahlen in Trachtenvereinen in dieser Dekade vor. (2) Auch in den Kreisen der pommerschen Vertriebenen blieb dies nicht ohne Folgen. Der Wunsch nach einer eigenen Tracht, die die Zugehörigkeit zur Heimat demonstrieren sollte, wurde laut. So nennt z.B. Käthe Backhaus explizit die Trachtenbewegung in ihrem hessischen Wohnort als Anregung für die eigene Beschäftigung mit Trachten. (3) Auch bei den für diesen Beitrag interviewten Personen fällt die erste intensive Beschäftigung mit dem Thema Tracht in die Zeit des allgemeinen Trachtenbooms in der Bundesrepublik. Recht schnell kam die Frage auf, an welchen Vorbildern man sich orientieren könnte. Anders als bei den ostpreußischen Vertriebenen, bei denen sich das so genannte "Ostpreußenkleid" als allgemeingültige Tracht behauptet (4), hatte sich für die pommerschen Trachten keine einheitliche Vorlage durchgesetzt. Neben Einzelpersonen, die sich eine Tracht schneiderten, um sie z.B. auf den Treffen der Vertriebenenverbände tragen zu können, hatten vor allem die Leiter und Leiterinnen von Tanzgruppen ein Interesse, sich und die Gruppenmitglieder für Auftritte in Trachten einzukleiden.
Die Probleme, denen sich die Befragten bei ihrer Bemühung eines "Revivals" der Weizackertracht gegenüber sahen, erwuchsen weniger aus ihrem Schicksal als Vertriebene als aus der Tatsache, dass sie ebenso wie andere Trachtenbegeisterte als ersten Schritt die Quellen suchen und sichten mussten, die zu "ihrer" spezifischen Tracht vorlagen. Trachtenkunde und -beratungWer sich heute eine Tracht aus seiner Heimatregion schneidern möchte, kann sich an eine der zahlreichen Trachtenberatungsstellen wenden, die es in Deutschland nach wie vor gibt. So sieht z.B. die Trachtenforschungs- und -beratungsstelle in Schwaben ihre Aufgabe darin, die Fertigung, Anschaffung und das Tragen von Trachten zu fördern, indem sie Zeugnisse der schwäbischen Trachten sammelt und bewahrt und gleichzeitig Interessierte in Fragen der Materialwahl, bei der Suche nach Herstelleradressen und durch konkrete Arbeitshilfen wie Schnitte und Arbeitsbeschreibungen berät. (5) In vielen Fällen bieten die Trachtenberatungsstellen auch Nähkurse an. Träger der Beratungsstellen sind Kulturverwaltungen, Trachtenverbände, Heimatpflegevereine oder die Bezirke. Doch auch Museen übernehmen vielerorts beratende Funktion. Die Beratungsstellen sind aus der Erkenntnis erwachsen, dass es notwendig ist, trachtenbegeisterten Laien bei der Erarbeitung ihrer Tracht mit fundierten Informationen zur Seite zu stehen. So berichtet Heinz Schmitt, der Bund "Heimat und Volkspflege" hätte sich trotz der Schwierigkeit, in den 1980er Jahren auf Wunsch der Trachtenvereine immer mehr Trachten auch für Gebiete schaffen zu müssen, aus denen keine Anhaltspunkte für die Existenz einer Tracht vorlagen, entschlossen, Beratungen anzubieten, um der laienhaften Kreation von Trachten Einhalt zu gebieten. Neue Vereine mussten fortan ihre Trachten auf der Jahresversammlung des Bundes, der wichtigsten badischen Vereinigung zur Trachtenpflege, vorführen, bevor über ihre Aufnahme entschieden wurde. 1982 erließ der Bund für alle Trachtenvereine verbindliche Richtlinien. (6) Tatsächlich konnten interessierte Laien die "Authentizität" von Quellen oft nicht korrekt einschätzen. Sie gingen davon aus, dass die auf einem historischen Foto abgebildeten Trachten "schon immer so ausgesehen" hätten oder dass die im Museum ausgestellte Tracht beispielhaft für ihre Region wäre. Den Beratungsstellen fiel hier eine wichtige aufklärerische Funktion zu. Sie versuchten den Laien zu vermitteln, dass erst durch die kombinierte Auswertung unterschiedlicher Quellen (Realien, Texte, Abbildungen usw.) und deren kritische Hinterfragung Aussagen über die Geschichte einer Tracht getroffen werden können. Auch rieten sie den an Trachten Interessierten niemals Trachtenteile aus verschiedenen Gegenden zu mischen, keine historischen Trachtenteile zu tragen, da diese sehr schnell verschleißen, und Trachtenelemente, die ursprünglich zu religiösen Anlässen getragen wurden, nicht für den Volkstanz zu nutzen. Zudem empfahlen sie den Laien, sich für einen bestimmten Zeitschnitt zu entscheiden, in dem Bewusstsein, dass dies eine Form der Tracht war und die Trachten sich stetig verändert hätten. (7) Die Trachtenberater reagierten damit auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich im Laufe der 1980er Jahre in der volkskundlichen Kleidungsforschung durchzusetzen begannen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die volkskundliche Textilforschung noch weitgehend im Rahmen der klassischen Trachtenkunde bewegt. Diese konzentrierte sich in erster Linie darauf, alte Trachten zu rekonstruieren und zu bestimmen, wie in der jeweiligen Region die "echte" Tracht ausgesehen hatte. Vorrangiges Ziel war die Rückführung eines jeden Trachtenelementes auf sein historisches Vorbild. Auch war die Forschung bis dahin stark von der Überzeugung geprägt, dass Trachten sich im Gegensatz zur kurzlebigen Mode nur äußerst langsam, wenn überhaupt veränderten. (8) Zwar hatte es schon seit den 1930er Jahren immer wieder Ansätze gegeben, den Dualismus von Tracht und Mode aufzubrechen und nach der Bedeutung der Kleidung für die jeweilige Gemeinschaft zu fragen, doch fand nun erst ein realer Paradigmenwechsel in der volkskundlichen Kleidungsforschung statt. Kleidung - und damit auch Tracht - sollte fortan systemtheoretisch betrachtet werden, d.h. sie sollte in gesellschaftliche Zusammenhänge eingebunden interpretiert werden. (9) Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hatte Ingeborg Weber-Kellermann, die Tracht als "zeichenhaften Ausdruck einer dörflich-bäuerlichen Lebensordnung mit den bestimmenden Werten des Besitzes, der Altersstufen, des Familienstandes" definierte und damit den Blick auf den Wandel und die Vielfalt von Trachten lenkte. (10) Die Trachtenberatungsstellen bemühen sich als wichtigste Schnittstelle zwischen Volkskunde und interessierten Laien darum, Klischees bezüglich der Trachten aufzuweichen und die Mitglieder von Trachtengruppen für die gesellschaftlichen Zusammenhänge der Trachten und die Brüche in ihrer Geschichte zu sensibilisieren. Doch stellt sich die Frage, ob sie sich dem Mitte der 1980er Jahre von Gitta Böth geäußerten Vorwurf, sie verhinderten durch ihren Fokus auf die "richtige" Einkleidung eine das eigene Verhalten reflektierende Auseinandersetzung in den Trachtengruppen und leisteten der falschen Vorstellung, alles sei "historisch echt" Vorschub, jemals entziehen können. (11) Im Unterschied zu Volkskundlern und Volkskundlerinnen, die Tracht u.a. als non-verbales Zeichen in einem bestimmten Kommunikationssystem begreifen (12) und diese spezielle Kleidungsform in größere Zusammenhänge einzubinden und zu deuten versuchen, geht es den Trachtenvereinen, wenn auch um eine "wissenschaftlich korrekte Rekonstruktion der Trachten und Trachtenteile" (13), so eben doch um eine Rekonstruktion. Die Mitglieder von Trachtenvereinen mögen ein Bewusstsein für die Vielfalt und auch Fragwürdigkeit bestimmter Trachten entwickelt haben, ob und wie sie diese Erkenntnisse in die Ausgestaltung ihrer Tracht einfließen lassen und ob sich den Zuschauern diese Differenziertheit beim Betrachten der Trachten erschließen kann, steht auf einem anderen Blatt. Grundlagen für die Erneuerung der WeizackertrachtAuch wenn die pommerschen Vertriebenen im Unterschied zu anderen bundesrepublikanischen Trachtenbegeisterten sich im allgemeinen nicht einfach an eine trachtenberatende Institution in ihrer Heimatregion wenden konnten (14), so fand ihre Auseinandersetzung mit der Trachtenpflege doch vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklung und Problematik der Kleidungsforschung und Trachtenberatung statt. Die für diesen Beitrag interviewten Personen sahen sich Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre ebenfalls mit der Frage konfrontiert, wie sie die zur Weizackertracht vorhandenen Quellen einschätzen und die zusammengetragenen Informationen konkret in die Kreation einer eigenen Tracht einfließen lassen konnten. Eine Schwierigkeit war dabei, dass die Vertriebenen über das ganze Gebiet der Bundesrepublik und der DDR verteilt waren und sie nur in seltenen Fällen Trachtenteile mit auf die Flucht genommen hatten.
Innerhalb dieses Netzwerkes bewegten sich die Recherchen derer, die sich für die Weizackertracht interessierten. Die Vertriebenenorganisationen bildeten die Plattform, auf der Fotos und Abbildungen, Berichte und Erinnerungen, allgemeines Wissen über Trachten und handwerkliches Know-How ausgetauscht wurden. Eine wichtige Quelle stellten vor allem auch die noch existierenden Trachtenteile dar, die sich in Privatbesitz und Museen befinden. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die in Heimatstuben ausgestellten Weizackertrachten. Für die Tanzgruppenleiterin Frau Hergenhan aus Kiel hat z.B. die Tracht in der Heimatstube in Korbach, das seit 1960 die Partnerstadt von Pyritz ist, als Anregung für die Anfertigung ihrer eigenen Weizackertracht gedient. Eine wichtige Anlaufstelle für Trachteninteressierte war und ist auch die Ostsee-Akademie im Pommern-Zentrum in Travemünde, an der eine Vielzahl an Kursen zum Anfertigen von Trachten angeboten wurde. (16) Abgesehen von der Möglichkeit, durch die Kombination verschiedener Quellen eine eigene Weizackertracht zu kreieren, konnten die Trachteninteressierten sich an zwei Publikationen orientieren, die Vorlagen für das Schneidern von pommerschen Trachten und u.a. der Weizackertracht anboten. Es handelt sich um die Mappe "Ostdeutsche Trachten" von Helga Palmer und Ingeborg Bansleben (1975) und um die Veröffentlichung "Pommersche Volkstrachten" von Hildegard Haenel, Ingrid Saenger und Irene Hackbarth, an der auch Karl Haenel mitgewirkt hat (1995). Beide Publikationen sind für die Erneuerung der Weizackertracht von großer Bedeutung, da sie vielfältige Informationen bündeln und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Tanzvereine und die WeizackertrachtEine exakte Angabe darüber, wie viele und welche Tanzgruppen nach 1945 in der Bundesrepublik in Weizackertracht aufgetreten sind bzw. auftreten, liegt nicht vor. Weder die Deutsche Jugend des Ostens (DJO) noch die Pommersche Landsmannschaft konnte darüber Auskunft geben. Aufgrund der Recherchen für diesen Beitrag kann, großzügig geschätzt, noch von etwa 50 Personen ausgegangen werden, die sich heute in Deutschland bei öffentlichen Auftritten in Weizackertracht präsentieren. Neben den vier Tanzgruppen, die im Weiteren ausführlich dargestellt werden sollen, treten die Mitglieder der Trachtengruppe der Pommerschen Landsmannschaft, Kreisgruppe Wolfsburg, u.a. in Weizackertracht auf. (27) Des Weiteren soll es in den 1970er Jahren in Lunten (Dithmarschen) eine Trachtengruppe gegeben haben, die in Weizackertracht Tänze aufgeführt hat, sowie eventuell in Schleswig. (28) Das Folkloretanzensemble "Thea Maass" der Technischen Universität Dresden hatte in seinem vielfältigen Repertoire eine Varsovienne, einen polnischen Tanz, den es in Weizackertracht aufführte. (29)
Vergleich der TrachtenDas auffälligste Ergebnis, vergleicht man die von den vorgestellten Gruppen getragenen Weizackertrachten, besteht darin, dass jede der Gruppen sich für eine andere Form der Weizackertracht entschieden hat. Die Kreationen unterscheiden sich z. T. ganz erheblich voneinander. Das wird besonders bei den Frauentrachten deutlich.
Diese starke Unterscheidung von den anderen Trachten erklärt sich aus dem Umstand, dass die Trachten der Gruppe "Kathrinchen" nach den Vorlagen aus der Mappe "Ostdeutsche Trachten" von Ingeborg Bansleben und Helga Palmer angefertigt worden sind und diese sich auf die von Gertrud Pesendorfer erarbeitete Trachtenmappe stützen. Gertrud Pesendorfer wählte als Beispiel für die Weizackertracht ein Kleid, das im Zuge der Trachtenerneuerung während des Nationalsozialismus entstanden ist und das mit der "traditionellen" Weizackertracht im Grunde nichts mehr gemein hat. In Bezug auf die Gruppe "Kathrinchen" könnte man also von einer "erneuerten" Version der "erneuerten" Tracht sprechen.
Frau Hergenhan hat sich beim Anfertigen ihrer Tracht an einer Vielzahl von Quellen orientiert. Diese unterscheidet sich von den anderen Trachten ihrer Gruppe vor allem durch die dunklere Farbgebung und die aufwändigeren und flächigeren Stickereien. Am stärksten ähneln sich die Frauentrachten der Pommerschen Landsmannschaft Berlin und die der Tanz- und Späldeel Leba in Erlangen. Durch das Tragen der reich bestickten Umhänge und der mit einer Schleife verzierten Muffe, durch die Spitzenkragen und die eher dunklen Farben erhält die Tracht in beiden Fällen ein üppiges und ein wenig schwerfällig wirkendes Aussehen.
Dass die Weizackertrachten der vorgestellten Tanzvereine sich so stark voneinander unterscheiden, liegt vor allem an zwei Gründen. Erstens wohnten die interviewten Personen, als sie sich für die Trachtenpflege zu interessieren begannen, sehr weit auseinander. Bei anderen Trachteninitiativen ist es üblich, dass sich die interessierten Personen einer Region vor Ort zusammenschließen, um eine Neuschöpfung der heimatlichen Tracht zu schaffen. Zweitens recherchierten die Tanzgruppenleiter und -leiterinnen unterschiedliche Quellen zur Weizackertracht und kombinierten diese unterschiedlich miteinander. Abgesehen davon gibt es auch praktische Gründe für die Verschiedenheit der Trachten, so war es aus Zeitgründen nicht allen möglich, jede der Frauentrachten mit den aufwändigen Stickereien zu verzieren. Natürlich spielt bei dem Schöpfen von Trachten auch das ästhetische Empfinden eines jeden eine nicht zu unterschätzende Rolle. Festzuhalten ist, dass keine der hier vorgestellten Trachten die Nachbildung einer vollständig überlieferten Originaltracht ist. Unter "Originaltracht" verstehe ich im Fall der Weizackertracht aufgrund der in dieser Online-Publikation vorgestellten Forschungsergebnisse das komplette Ensemble einer im 19. Jahrhundert tatsächlich getragenen Tracht einer bestimmten Person. Alle der befragten Personen sind sich bewusst darüber, dass ihre Version der Weizackertracht lediglich eine Annäherung an die "ursprüngliche" Tracht darstellen kann. Sie alle haben sich engagiert mit der Geschichte der Weizackertracht auseinandergesetzt und wissen von der Vielfalt der Trachten je nach Träger bzw. Trägerin und Anlass. Auch verhehlen sie nicht, dass die Trachten um der besseren Tragbarkeit willen und auch wegen ihrer Funktion als Tanzkleid an heutige Verhältnisse angepasst wurden. Trotz dieser Anpassung handelt es sich in ihrem Verständnis immer noch um Weizackertrachten. Diese Auffassung spiegelt sich auch in der Überzeugung von Trachtenberatungsstellen wider, in deren aktuellen Richtlinien die Veränderung um der Tragbarkeit willen bereits in die Definition von Tracht als ein Merkmal integriert worden ist. (36) Und dennoch wurde von den Personen, die sich intensiv mit der Weizackertracht auseinandergesetzt und Nachahmungen entworfen haben, vor allem während der Phase der Trachtenschöpfung in den 1980er Jahren diskutiert, wer die "richtigere", die "originalste" Tracht trägt. Da man auf allen Seiten um eine gute Zusammenarbeit bemüht ist und sich gegenseitig nicht kränken will, wurde dieses Konfliktthema während der Interviews nur flüchtig angeschnitten. Auch scheint sich die Brisanz im Laufe der Jahrzehnte abgekühlt zu haben und die Vehemenz, mit der die eine oder der andere ihre bzw. seine Version der Weizackertracht verteidigt hat, kann heute schon mit größerer Distanz und zum Teil gar mit einem selbstironischen Augenzwinkern betrachtet werden. Motive für das Tragen der WeizackertrachtSo unterschiedlich die einzelnen Weizackertrachten der Tanzvereine auch aussehen, so einig sind sich deren Leiter und Leiterinnen über die Beweggründe, die sie zum öffentlichen Präsentieren der Trachten motivierten. Neben dem Wunsch, beim Tanzen und Anfertigen der Trachten gemeinsam Spaß zu haben und in der Öffentlichkeit anerkennend wahrgenommen zu werden, ist es vor allem das Ziel, das pommersche Kulturgut bewahren zu wollen, das sie miteinander verbindet. In dem Bemühen, den allgemeinen Trachtenboom in den 1980er Jahren erklären zu wollen, wurden auch den anderen bundesrepublikanischen Trachtenvereinen Motive wie der Wunsch nach einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung, die Auseinandersetzung mit der regionalen Geschichte, das Einüben alter Handwerkstechniken und die Freude am gemeinsamen Singen und Tanzen zugeschrieben. (37) Das Ziel, durch das Schaffen von Trachtenvereinen den Fremdenverkehr zu fördern, ist für die Tanzgruppen der Vertriebenen nur bedingt gültig. Und auch der Wunsch, durch das Tragen von Trachten bestimmte Werte zu vermitteln, der Trachtenvereinen von manchen Autoren zugeschrieben wurde, (38) wird in den Interviews nicht geäußert.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Mitglieder der Vereine durch das Tragen der Weizackertracht ihr Heimatbewusstsein demonstrieren wollen. So wie Barbara Hinz es über die Mitglieder des Arbeitskreises der Trachten- und Volkstanzgruppen im Schleswig-Holsteinischen Heimatbund (SHHB) formuliert: "Trachten sind stets Träger von Tradition, von Heimatbewusstsein. Wir bringen damit zum Ausdruck, wo unsere Wurzeln sind." (39) Das trifft auf einige der interviewten Personen auch durchaus zu. Weder Renate Müller noch Waltraud Zielke jedoch, die beide eine Tanzgruppe leiteten bzw. leiten und in Weizackertracht auftreten, sind in Pommern geboren. Beide haben jedoch einen starken Bezug zu der Pyritzer Region und wollen dies durch das Tragen der Tracht auch zum Ausdruck bringen. Ausschlaggebend ist also für alle Befragten, dass sie durch das Tragen der Tracht ihre Zugehörigkeit zu Pommern demonstrieren wollen, ganz gleich, wodurch sich diese Zugehörigkeit begründet.
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URL zur Zitation dieses Beitrages: https://www.bkge.de/weizackertracht/8035.html Anmerkungen(1) https://www.landestrachtenverband-niedersachsen.de/Entwicklung_des_LTN/
(2) Lantau/Baum 1995, Schmitt 1988, Worschech 1982, Böhm 1989. (3) S. Beitrag von Britta Kühne "Frau Backhaus und ihre Weizackertracht". (4) Barfod 1990. (5) https://www.bezirk-schwaben.de/Kultur/Trachten/Aufgaben.html, vom 4.12.2003. S. u.
(6) Schmitt 1988, S. 102ff. (7) Nieske 1991, S. 12ff., Bringemeier 1985, S. 89. (8) Böth 1980. (9) Böth 1994. (10) Weber-Kellermann 1987, S. 228. (11) Böth 1988, S. 49. (12) Böth 1980, S. 4. (13) https://www.landestrachtenverband-niedersachsen.de/Trachten/trachten.html,
(14) Monika Hoede von der Trachtenberatungsstelle Schwaben hat für eine Familie in Lauterbach-Frischborn eine Weizackertracht nach einer Abbildung angefertigt (E-Mail vom 19.12.03). (15) Pommerscher Kreis- und Städtetag 1998, S. 259. (16) Vgl. Ankündigung: Bundesfrauentagung der Pommerschen Landsmannschaft vom 18. bis 24. Juni 2001. In: Programm für die Monate Januar bis Dezember 2001 der Ostsee-Akademie im Pommern-Zentrum. Lübeck 2001;Trachtenschneiderei - eine Werkstattwoche. 7 bis 10. Februar 1994. Programm der Ostsee-Akademie in Lübeck, 1994; Kistenmacher, W.: Trachtenschneidern im Pommern-Zentrum. In: Die Pommersche Zeitung, Folge 17, 45. Jg. (29. April 1995). (17) Dass in Büchern, die Vorlagen zum Nachschneidern von Trachten enthalten, die Quellen der Schnitte angegeben werden, ist nicht unbedingt selbstverständlich. So erläutert z.B. Waldemar Zylla in seinem Buch zu Oberschlesischen Trachten nicht, an welchen Vorlagen sich die Nähanleitungen orientieren (Zylla 1986, S. 7). (18) Palmer 1975, S. 6. (19) Palmer 1975, S. 4. (20) Ebd. (21) Palmer 1975, S. 6. (22) Ebd. (23) Haenel 1995, S. 7. (24) Ebd. (25) Haenel 1995, S. 12. (26) Vgl. Böth 1980. (27) E-Mail vom Vorsitzenden des Landestrachtenverbandes Niedersachsen Wilfried Dubiel am 18.12.03. (28) Auskunft von Frau Hergenhan, Kiel. An dieser Stelle möchte ich meinen Interviewpartnern und -partnerinnen ganz herzlich für die von ihnen zu Verfügung gestellten Informationen und ihre Unterstützung danken. (29) E-Mail von Jonathan Uhlaner vom 8.10.2000. (30) https://www.leba.de/Veranstaltungen/100_Jahre_Karl_Haenel/
(31)
(32) Pommersche Folklore lebt weiter. Erlangen: Stick-Seminar der Tanz- und Späldeel "Leba". In: Die Pommersche Zeitung, Folge 39, 45. Jg. (30. September 1995), S. 3. (33) https://www.leba.de/Veranstaltungen/100_Jahre_Karl_Haenel/
(34) E-Mail von George Radtke von der Pommerschen Tanzdeel Freistadt vom 17.12.2003. S. auch die Homepage der Tanzdeel:
(35)
(36) https://www.bezirk-schwaben.de/Kultur/Trachten/Zuschuss.html, vom 4.12.2003. (37) Mehl 1995, S. 13f., Schmitt 1988. S. 104f. S. auch Georg Bauer: Der Norden entdeckt seine Trachten wieder. In: Die Welt Nr. 200 (29. August 1986). (38) Reinhard Worschech z.B. definiert Tracht als sichtbaren Ausdruck von Ordnung und Sitte. Worschech 1982, S. 32. (39) Hinz 1995, S. 30. (40) Sternitzky 1999, S. 91. Stand:
13.12.2011 |
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