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Die Pyritzer Tracht in den Sammlungen und Bildbeständen des Nationalmuseums in Stettin

Iwona Karwowska

Die Volkstracht als regionalspezifische Bekleidungsform konnte auch zeichenhaft die gesellschaftliche Stellung ihres Trägers oder ihrer Trägerin enthalten. Sie beschrieb dann Herkunft, materielle Situation, Familienstand, Beruf. Sie schuf ein Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft. Die Tracht war einer von wenigen besonderen Bereichen der Volkskultur, in denen Vermögen und Luxus zur Schau gestellt wurden.

Eine der reichsten und originellsten Volkstrachten Pommerns fand sich in der Pyritzer Region (Weizacker); diese liegt im Südosten Stettins und umfasst das Zuflussgebiet von Plöne [Płonia] und Ihna [Ina] um den Madü-See [Jezioro Miedwieckie] und den Plönesee [J. Płońskie]. In dieser wasserreichen Landschaft begann man offenbar schon in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts unter Friedrich II. in großem Stil mit Meliorationsarbeiten, die überwiegend durch Siedler aus dem Gebiet des heutigen Holland und Friesland ausgeführt wurden. Nach den Napoleonischen Kriegen gehörte Pommern zu den am stärksten entvölkerten und verwüsteten Regionen des Preußischen Staates. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden daher unablässig Ansiedlungskampagnen durchgeführt, schwerpunktmäßig mit Kolonistengruppen aus Friesland und Holland. Es bildet eine bisher nicht widerlegbare These, dass Elemente ihrer Kleidung zum "Urmuster" der lokalen Volkstracht im Pyritzer Weizacker wurden. Auf deren endgültige, charakteristische Ausgestaltung hatten aber sicher noch weitere Faktoren wie die Bekleidung der einheimischen Bevölkerung sowie die städtische Mode der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Einfluss.

Die Bevölkerungsgruppe, die von den niederländischen und friesischen Siedlern abstammte, gehörte in der Pyritzer Gegend zu den wohlhabendsten Gesellschaftsschichten. Reiche Böden, die Möglichkeit einer dauerhaften Beschäftigung (1854 Eröffnung des Kanals zwischen Madü- und Plönesee) und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Aufblühen von Industrie, Handel und Landwirtschaft in der Provinz trugen zur Entwicklung der materiellen Kultur der Region bei, etwa der charakteristischen, reichen Ornamentik an Möbeln und der Tracht. In späterer Zeit wirkte sich die wirtschaftliche Entwicklung dann nachteilig auf die traditionelle Regionalkultur aus, indem sie zum allmählichen Rückgang des Tragens der Tracht führte. Robert Holsten verweist in seiner Arbeit "Aus dem Pyritzer Weizacker" darauf, dass 1910 sieben Männer und 268 Frauen die Pyritzer Tracht getragen hätten. In 19 von 31 der dort erwähnten Ortschaften trat die Tracht weniger als sechsmal auf, und zwar nur die Frauentracht. Die größte Anzahl notierte er in Brietzig [Brzesko], wo 56 Frauen und vier Männer sie trugen.

Das quantitative Missverhältnis zwischen weiblichen und männlichen Trachtenträgern ist nicht nur für Pommern charakteristisch, sondern stellt eine allgemeine Tendenz dar, die in der Endphase des Tragens von regionaler Volksbekleidung auftritt und unmittelbar mit der wachsenden Mobilität der männlichen Bevölkerung zusammenhängt.

Wie bereits erwähnt war das Pyritzer Land eine reiche Region. Gute materielle Bedingungen haben in der Volkskultur stets eine vorrangige Bedeutung bei der Entwicklung von Kunst und Schmuckwerk sowie einer reichen Tracht gehabt. Nicht anders verhielt es sich in der Pyritzer Region, wo bei den Erzeugnissen der Volkskunst eine ungemein reiche Ornamentik und Farbenpracht anzutreffen ist. Grundlegende Dekorationselemente auf Möbeln, auf Keramik und in Stickereien sind das Tulpenmotiv sowie runde, sechsblättrige Blumen in der Form eines Gänseblümchens, einer geöffneten Rose oder einer Margerite. Wir finden auch andere florale Motive wie kleine Zweige, Glöckchen, Vergissmeinnicht. Die Grundlage der Komposition ist gewöhnlich ein Blumenstrauß, der aus einer Vase oder einem Korb emporwächst.

















Meist ist ein bedeutender Teil der Fläche mit derlei Ornamenten bedeckt; die dekorativen Elemente verbinden sich zu einer Einheit, die weder Anfang noch Ende zu haben scheint. Entsprechend bemerkt Bożena Stelmachowska, die Pyritzer Kunst fürchte den leeren Raum. Es ist kaum möglich, dominierende Farbzusammenstellungen auszumachen oder eine Vorliebe für bestimmte Farben. Das Schmuckwerk ist durch unaufhörlichen Wechsel und scharfe Kontraste gekennzeichnet. In die Dekoration der Tracht sind neben der ganzen Farbpalette noch Flitter, goldene Fäden und Flittergold eingearbeitet, um sich zu einer außergewöhnlich farbenfrohen und prunkvollen Einheit zu verbinden.

Eine materielle Kultur von so augenfälligem ästhetischen und künstlerischen Wert weckte rasch Interesse bei Museen, Ethnographen und auch Bildenden Künstlern.

Die Kunstgegenstände des Pyritzer Landes befanden sich in den Sammlungen des Stettiner Landesmuseums, und vermutlich stellten sie dort, im ehemaligen Pommerschen Provinzialmuseum, schon Anfang des 20. Jahrhunderts eine beachtliche Kollektion dar. Zu diesem Schluss kann man unter anderem aufgrund erhaltener Photographien kommen, die 1932 auf einer ethnographischen Ausstellung entstanden sind und zahlreiche Museumsstücke zeigen: Möbel, Spinn- und Webutensilien und die Tracht. Auf zwei Photos ist eine Vitrine zu sehen mit drei Schaufensterpuppen, die in vollständige Pyritzer Trachten gekleidet sind: zwei Frauentrachten und in der Mitte eine Männertracht. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um einen kleinen Teil der Sammlung, der den Besuchern der Ausstellung zugänglich war.

Ende der 1940er Jahre, als die ethnographische Sammlung nach dem Krieg von polnischen Museologen neu begründet wurde, stellte sich heraus, dass infolge der Kriegshandlungen 1939-1945 die Inventarbücher der ethnographischen Sammlung verschwunden waren. Ohne sie lassen sich die Verluste nicht einschätzen; die vorhandenen Teile hatten ihre Registernummer verloren. Aus der Region Pyritz sind ca. 60 Keramikobjekte, 30 Möbelstücke, einige Spindelrocken und Webbrettchen erhalten geblieben. Es zeigte sich jedoch, dass das Stettiner Museum weder die Pyritzer Tracht noch auch nur wesentliche Elemente davon besitzt. Nach der Photographie von 1932 muss man vermuten, dass sich diese Kleidungsstücke bis 1945 in Stettin befunden haben. 1948 waren einzelne Objekte verblieben, die in der Abteilung "Ethnographie Pommerns" des Nationalmuseums in Stettin [MNS - Dziale Etnografii Pomorza Muzeum Narodowego w Szczecinie] verwahrt werden. Welches Kriegs- bzw. Nachkriegsschicksal die übrigen Museumsstücke erfahren haben, wissen wir also nicht. Den zugänglichen Daten (mögliche Evakuierung, Zerstreuung, Zerstörung, Raub, Auslagerung deutschen Eigentums in die UdSSR) zufolge ist anzunehmen, dass die ganze Sammlung der Zerstörung anheim fiel.















In der Abteilung "Ethnographie Pommerns" des Nationalmuseums in Stettin sind von den umfangreichen Vorkriegsbeständen und Archivalien, die sich auf Trachten beziehen, nur noch wenige erhalten geblieben. Bezüglich der textilen Objekte ist noch einmal daran zu erinnern, dass es sich um Gegenstände handelt, zu denen leider die grundlegenden Daten fehlen. So können wir in den meisten Fällen nichts über Ort und Zeit ihrer Entstehung sagen, wir haben keine Informationen über ihren Hersteller oder darüber, auf welchem Weg sie ins Museum gekommen sind. Wir verfügen über keinerlei wissenschaftliche Dokumentation, und nach etlichen Dekaden sind sogar die Farben der Webereien und Stickereien häufig nicht mehr eindeutig bestimmbar.

1. Sechs Trachtenteile

2. Vier Stickmuster

Die erhaltenen Stickmustertücker sind auf weißem Leinenstoff in Kreuzstich ausgeführt. Jedes von ihnen enthält alle Buchstaben und Ziffern, aufgereiht im oberen oder (in einem Fall) unteren Teil des Musters, und zudem Tier- und Pflanzenmotive sowie materielle Gegenstände. Von Kreuzstichen waren an der Pyritzer Tracht die Batist- und Tülltücher geziert, die sogar im Sommer durch den Muff gezogen getragen wurden; weiterhin findet man sie an Taschen und Tüchern, meist als Ornament für Monogramm und Datum. Herkunftsort und Entstehungszeit unserer Muster kennen wir nicht (die wenigen Daten, die sich auf ihnen finden, können irreführend sein), ebensowenig wissen wir, wer sie angefertigt hat.

3. Ein Nadeletui

4. Ein Ölgemälde von Ludwig August Most

5. 41 Inventarkarten mit historischen Fotos und Zeichnungen

Einige zeichnerische Darstellungen der Pyritzer Tracht sind in der Graphikabteilung des Nationalmuseums in Stettin erhalten geblieben. Die Leiterin dieser Abteilung, Frau Dr. Ewa Gwiadowska, wurde auf sie aufmerksam. Sie korrespondieren mit dem Ölgemälde, da sie auch aus der Feder Ludwig August Mosts stammen. Es handelt sich um vier Zeichnungen aus dem Skizzenheft Nr. VI - MNS/Rys. 564, datiert im Jahr 1836. Sie sind mit weichem Bleistift angefertigt, daneben finden sich Beschreibungen von Farbgebung und Details, teilweise nicht lesbar.


Zur näheren Beschreibung der Zeichnungen


Im Anschluss an die Vorstellung der Museumsstücke und ikonographischen Materialien zur Pyritzer Tracht, die in der Abteilung "Ethnographie Pommerns" des Nationalmuseums Stettin sowie in seiner Graphikabteilung verwahrt werden, möchte ich noch einige Anmerkungen machen, die nicht unmittelbar mit diesen Dokumenten zusammenhängen, die aber wesentlich sind für Forschungen in diesem Bereich.

Die polnische Literatur zu diesem Gegenstand ist nicht reichhaltig. Die meisten Publikationen zur Pyritzer Volkstracht verdanken wir Agnieszka Dobrowolska, die jene eingehend im Atlas der polnischen Volkstrachten [Atlas Polskich Strojów Ludowych] behandelt hat. Sie streift das Problem auch in ihrem Artikel "Zum Problem der Volkskleidung in Westpommern" [Z problematyki odzieży ludowej na Pomorzu Zachodnim] von 1959 sowie in einigen kleineren Texten. Informationen über die Pyritzer Ornamentik, etwa zur Stickerei, enthält eine Arbeit von Bożena Stelmachowska, erschienen 1946. Dies ist eine wertvolle Quelle, weil die Autorin sich auf eigene Notizen und Skizzen stützt, die sie vor dem Krieg im Landesmuseum in Stettin angefertigt hat. Nach den 1950er Jahren erschien keine bedeutende Arbeit mehr über die Pyritzer Tracht; diese wurde lediglich in einigen Publikationen zu polnischen Regionaltrachten erwähnt. Die Verfasserin dieses Artikels hat auf einer Konferenz im Jahr 2000 einen Vortrag zu diesem Thema gehalten, der eine gekürzte Version des vorliegenden Textes darstellte.

Die Pyritzer Tracht begann, ähnlich wie viele andere Regionalkleidungen, mit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert allmählich zu verschwinden. Die Endphase ihres Gebrauchs fiel in die Zeit zwischen den Kriegen, als sie von der Kategorie der Alltags- und Festtagskleidung einer konkreten regionalen Gruppe in die Kategorie eines Kostüms überging, das gezielt und bewusst in genau bestimmten Situationen angelegt wird, um die Bindungen an die konkrete Region und ihre Kultur zu demonstrieren. Die Volkstracht wird in diesem Fall zu einem Mittel der Inwertsetzung einer gegebenen Gruppe, und dem folgt, wie C. Robotycki anmerkt, ihre Mythisierung, auch wenn dies durchaus nicht bedeutet, dass sie deshalb getragen würde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verläuft die Geschichte der Pyritzer Regionaltracht in zwei Strängen. Einerseits waren diejenigen, die eine "Tradition" fortsetzten - oder eigentlich wieder aufnahmen -, die Vorkriegsbewohner des Pyritzer Landes und deren Nachkommen, die sich alle zwei Jahre als landsmannschaftliche Gruppierung in Deutschland trafen und noch treffen. Seit Jahren arbeiten sie mit den Pyritzern zusammen. Ausdruck dieser Zusammenarbeit war unter anderem die Enthüllung eines Denkmals für die früheren Bewohner der Stadt im Jahre 1995. Bei dieser Feier traten, ebenso wie zu den turnusmäßigen Treffen, viele Teilnehmer in ihrer "Regionaltracht" auf; dies dokumentiert der von E. Kummer gedrehte Amateurfilm "Eine Reise in die Heimat".

Die Tracht ist in diesem Fall eine nostalgische Manifestation der emotionalen Bindung an den Herkunftsort, die besonders von der älteren Generation kultiviert wird. Natürlich sind diese Trachten in bedeutendem Maße ein Rekonstruktionsversuch dessen, was aus der Vergangenheit gerettet werden konnte und in der Erinnerung, in Dokumenten und in der Literatur bewahrt wurde.

Das Schicksal der Pyritzer Tracht in Polen ist ziemlich kompliziert. Die grundlegende und einzige Arbeit, die das Problem ausführlich bespricht, ist die bereits erwähnte Darstellung von Agnieszka Dobrowolska. Sie wurde in einer Schriftenreihe zu polnischen Volkstrachten herausgegeben. Indem sie an vielen Stellen genetische Bindungen sucht und die spärlichen Ähnlichkeiten mit der slawischen Tracht hervorhebt, bewirkte sie besonders im Bewusstsein der Bewohner Pommerns eine eigentümliche gedankliche Verkürzung: Die Pyritzer Tracht gehört zu den polnischen Volkstrachten. Diese These wurde zusätzlich dadurch untermauert, dass die Tracht in den 1960er Jahren in geographischen Schulatlanten, auf Postkarten und in Stickmustern auftauchte, - eine Tatsache, die in großem Maße dem Bedürfnis nach schneller Adaption Pommerns durch seine Nachkriegsbewohner Rechnung trug, welche man u. a. durch Propaganda und durch Dokumentation der historischen Verbindungen zu Polen und zum Slawentum erreichen wollte. Das Stereotyp, dass die Tracht und vor allem die Pyritzer Stickerei mit der polnischen Kultur verbunden ist, wurde als Faktum dargestellt, obwohl dieses Bewusstsein nicht allgemein verbreitet ist.

Die "Pyritzer" Hefte des "Atlas der polnischen Volkstrachten" wurden den Teilnehmern an regionalen Wettbewerben und Ausstellungen für Volks- und Amateurkunst in Pommern überreicht. Auf diesem Wege kamen sie in den 1960er Jahren zu Frau Halina Kędziora aus Pyritz. Die technisch schwierig auszuführende, zugleich aber schöne Stickerei bezauberte sie. Frau Kędziora ist seit vielen Jahren eine der wenigen, wenn nicht die einzige Person innerhalb der Region, welche die traditionellen Pyritzer Muster stickt. Sie fertigte zweimal eine Schürze und ein Tuch für das Kulturhaus in Pyritz und schon mindestens drei ganze Sets, bestehend aus Tuch, Schürze, Handschuhen und Strümpfen, auf Bestellung aus Deutschland an. Als Vorlage bekam sie dafür von den Auftraggebern ein altes Stickmuster aus Alt Prilipp/Stary Przylep. Die Ausführung eines solchen Sets dauert ca. drei Monate. Die Stickerin sammelt seit langem alle erreichbaren Pyritzer Muster, die sie trotz ihrer Kompliziertheit gern nachstickt und sehr liebt (ihre Familie stammt aus Podhale, einer Region mit ausgeprägter Sticktradition).

Analogien zur und Anlehnungen an die Pyritzer Tracht finden sich auch in den Bühnenkostümen einiger Folkloregruppen. Die Gruppe "Die Pyritzer" tritt in Trachten auf, bei denen wir (besonders in der Männerkleidung) deutliche Verbindungen zur traditionellen regionalen Tracht entdecken. Die Frauengruppe "Morgenrot" aus Przelewice/Prillwitz, die mit Folklore-Elementen aus Zentralpolen und den ehemaligen polnischen Ostgebieten arbeitet, tritt in Kostümen auf, als deren Urmuster wir die Tracht aus und um Prilipp erkennen. Es handelt sich um grüne plissierte Röcke mit breitem roten Saumband, weiße Blusen, grüne, rot eingefasste Mieder, flach bestickt mit großen roten Rosen. Auf die Frage, weshalb sie gerade so und nicht anders gekleidet seien, antworteten die Mitglieder der Gruppe, sie hätten diese Tracht in einem Buch aus der Vorkriegszeit gefunden und beschlossen, daran anzuknüpfen, da sie schließlich aus Przelewice stammten.

Dies ist also ein Fall, in dem ein Element einer fremden Kultur übernommen und als das eigene angenommen wird, wobei eine wesentliche Rolle die Hinwendung zur regionalen Tradition spielt. Einerseits war diese Situation gleichsam eine "Zwangslage", denn es ist schwierig, sich für die Tracht einer einzigen Region Polens zu entscheiden, wenn wie in Pommern sowohl die Mitglieder als auch das Repertoire von Folkloregruppen aus allen Ecken des Landes kommen.

Zum anderen steht dieses Phänomen unzweifelhaft in Zusammenhang mit dem in Pommern noch immer nicht abgeschlossenen Assimilationsprozess, aber die genannten Beispiele zeugen von einer neuen Qualität dieses Prozesses. Dies ist nicht mehr das notgedrungene Akzeptieren eines Wohnortes, weil es keinen anderen Ausweg gibt - vor diesem Problem müssen ja fast alle gestanden haben, die nach dem Krieg nach Pommern kamen -, sondern es beweist eine freiwillige Entscheidung, ein Gefühl der Identifikation. Es ist verbunden mit dem Bestreben, die Tradition der Region kennen zu lernen und aus ihr zu schöpfen, einer Region, die man als die eigene anerkannt hat, auch wenn diese Aneignung über Fragmente einer fremden, der deutschen Kultur vollzogen wurde.

Betrachtet man das historische Bedingungsgefüge, so könnte die Pyritzer Tracht heute nur mehr eine leblose Rekonstruktion sein. So ist es jedoch nicht gekommen: Sie ist weiterhin ein lebendiges kulturelles Phänomen, das man mit dem Pyritzer Land assoziiert, ein wichtiger Faktor für das Gefühl von Gruppenbindung und regionaler Zugehörigkeit. Dieses Gemeinschaftsgefühl, das sich u. a. im Tragen der traditionellen Pyritzer Kleidung manifestiert, haben die früheren Bewohner nicht verloren, und es bildete sich in der Zeit seit dem Kriege erneut wieder heraus. Die Pyritzer Tracht wird gegenwärtig (häufig freilich nur als Rekonstruktion oder Stilisierung) von Gruppen in zwei Völkern getragen: von Deutschen und von Polen. Und für alle, die sie tragen, ist sie gleichermaßen (aber nicht gleichbedeutend) wichtig, weil sie dieselbe Botschaft vermittelt: "Ich bin von hier, ich bin PyritzerIn."

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URL zur Zitation dieses Beitrages: https://www.bkge.de/weizackertracht/8032.html


Anmerkungen

Der Artikel enthält um der Übersichtlichkeit und leichteren Übersetzbarkeit willen keine Fußnoten. Zu seiner Ausarbeitung wurden Teile der in der Bibliographie verzeichneten Literatur verwendet; im Text wird jeweils auf die einzelnen Autoren hingewiesen. Der im Text genannte Film "Eine Reise in die Heimat" wurde auf der Konferenz "Nachbarschaft in Pommern" in Pyrzyce im Oktober 2000 gezeigt.

Übersetzung aus dem Polnischen: Katinka Seemann

Stand: 13.12.2011
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